Die Veröffentlichung der aktuellen bayerischen Ausbildungsmarktzahlen zeigt einmal mehr die Herausforderungen, die es auch im reichen Bayern anzupacken gilt.
Die Veröffentlichung der aktuellen bayerischen Ausbildungsmarktzahlen zeigt einmal mehr die Herausforderungen, die es auch im reichen Bayern anzupacken gilt. Die soziale Selektion ist auch in der Berufsschule ausgeprägt, das Übergangssystem ähnelt einem Dschungel, und es gibt Gesetzesverstöße in der Ausbildung.
2015 suchten 39 % (31.966) der jungen ausbildungsinteressierten Bayern erfolglos nach einem Ausbildungsplatz. Gleichzeitig konnten oder wollten viele Betriebe ihre angebotenen Ausbildungsplätze nicht besetzen. 11 % (10.737) blieben leer. Und das, obwohl die bayerische Wirtschaft über angeblichen Fachkräftemangel klagt.
Das selektive Schulsystem setzt sich in der beruflichen Bildung fort. Jugendliche mit Migrationshintergrund, mit schlechteren oder niedrigeren Schulabschlüssen oder „mutliplen Vermittlungshemmnissen“ werden immer noch strukturell benachteiligt. So mündeten 2015 laut aktuellem Berufsbildungsbericht bundesweit nur rund ein Drittel der Bewerber mit Migrationshintergrund in eine duale Berufsausbildung ein.
Der Übergang von der Schule in den Beruf ähnelt mit seiner Vielzahl unkoordinierter Bildungsgänge ohne Anschlussperspektive einem Dschungel. Die Chancen eines Übertritts in eine Ausbildung sind sehr gering. Nur rund 6 % der neuen bayerischen Azubis im Jahr 2013 haben vorher eine berufsvorbereitende Maßnahme absolviert.
Es sind leider keine Einzelfälle, dass Azubis ständig Überstunden schieben oder ihre Ausbildungszeit damit verbringen, den Dienstwagen des Chefs zu putzen. Branchen wie das Hotel- und Gaststättengewerbe oder das Lebensmittelhandwerk fallen immer wieder mit Verstößen gegen das Berufsbildungsgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz auf. Das belegt auch der neue Ausbildungsreport der DGB-Jugend. Azubis werden nicht selten als billige Arbeitskräfte missbraucht.
Das Ziel des DGB ist: Jeder, der möchte, bekommt die Chance auf eine qualitativ gute betriebliche Ausbildung mit Perspektive.
Um das erreichen, brauchen wir in Bayern endlich ein kohärentes Konzept für den Übergang von der Schule in den Beruf. Das beinhaltet: 1. eine ordentliche Arbeitsweltorientierung in allen allgemeinbildenden Schulen, 2. eine Ausbildungsgarantie für Alle, gegebenenfalls mit professioneller Ausbildungsbegleitung für Azubis und Betriebe, 3. gute Ausbildungsqualität in allen Branchen und Regionen, zum Beispiel mittels eines funktionierenden Beschwerdemanagements.
Eigene Darstellung, Quelle: BIBB, Berichtsjahr 2012
Eine allgemein anerkannte Definition für den Begriff Ausbildungsreife gibt es (noch) nicht. Der Begriff wird vor allem interessenpolitisch eingesetzt.
Je nach aktueller Problemlage kann so bequem von den Strukturproblemen des beruflichen Bildungssystems abgelenkt und gleichzeitig eine Institution wie das berufliche Übergangssystem legitimiert werden.
Das Problem dabei: Es geht wenig oder nichts voran. Die Probleme des beruflichen Bildungssystems werden auf die betroffenen Jugendlichen abgewälzt und damit individualisiert. Denn diese werden nach dem Motto „selber schuld“ für ihr Scheitern auf dem Ausbildungsmarkt selbst verantwortlich gemacht. Darüber hinaus werden sie mit spezifischen stigmatisierenden Etiketten und Attributen wie „unreif“ oder „sozial inkompetent“ versehen.
Auf diese Weise dient der Mythos Ausbildungsreife auch dazu, von einem echten Problem abzulenken: von der schlechten Ausbildungsqualität in manchen Branchen und Betrieben.