DGB Bayern
Der DGB Bayern hat heute den Report "Werkverträge in Bayern - Das neue Lohndumping-Instrument" vorgestellt. Medienberichterstattungen über den Missbrauch von Werkverträgen bei Daimler, Amazon, den Meyer-Werften und anderen haben eine breite Aufmerksamkeit für dieses Thema geschaffen.
Auch im angeblichen Hochlohnland Bayern mit seinem vielumjubelten Arbeitsmarkt ist Lohndumping durch Werkverträge an der Tagesordnung. Im umfangreichen Report "Werkverträge in Bayern - Das neue Lohndumping-Instrument" stellt der DGB Bayern die Situation in Bayern ausführlich dar.
Werkverträge werden statistisch nicht erfasst. Wir machen aus der Not eine Tugend. Im Report schildern Betriebsräte und Gewerkschafter anhand konkreter Beispiele aus Betrieben die verschiedenen Methoden und Tricks der Arbeitgeber, über Werkverträge Löhne zu drücken und Arbeitsbedingungen zu verschärfen. Wir nennen dabei Ross und Reiter.
Der DGB-Report „Werkverträge in Bayern“ schildert die Praxis einzelner Betriebe und Unternehmen mit Werkverträgen und verdeutlicht die Auswirkungen. Die Werkverträge sind nicht nur eine schwere Belastung für die Beschäftigten, sondern haben auch eine enorme, bislang eher unterschätzte Dimension für den Sozialstaat und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Diese Zusammenhänge werden im Report thematisiert.
Werkverträge sind ein weiteres Glied in der Kette von Flexibilisierungs- und Dumpinginstrumenten. Sie reihen sich ein in die Versuche der Kostensenkung um jeden Preis. Mögen die Arbeits- und Einkommensbedingungen der Beschäftigten dadurch auch noch so mies werden. Diese Werkvertragsverhältnisse entstehen umso häufiger, je mehr es den Gewerkschaften gelingt, Leiharbeit besser zu regulieren und dafür zu sorgen, dass Leiharbeiter besser bezahlt werden.
Beschäftigung durch Werkverträge geht weit über die Industrie hinaus. Wir sehen Branchen, wo man Werkvertragsbeschäftigte auf den ersten Blick gar nicht vermutet: in Krankenhäusern und Altenheimen, bei Logistikdienstleitern oder im Einzelhandel. Verbucht werden diese Werkvertragsarbeitnehmer übrigens nicht unter "Personalkosten", sondern unter "Sachkosten" - und wie Sachen werden die Menschen auch oft behandelt.
Diese Form der unbegrenzten Öffnung des Arbeitsmarktes war politisch gewollt. Die als Hartz-Gesetze bekannt gewordenen Liberalisierungen des Arbeitsmarktes entfalten ihre Wirkungen. Doch diese Veränderungen waren und sind fatal: Sie deregulierten auf Teufel komm raus, ohne Absicherung nach unten. Die „Umgehungstatbestände“ des Arbeitsmarktes sind in Deutschland enorm. Die Kontrollen sind gering, die gesetzlichen Abgrenzungen, etwa bei Werkverträgen, sind ungenau. Und die Lohnregulierung im unteren Bereich ist niedrig bis nicht vorhanden.
Matthias Jena (Vorsitzender DGB Bayern) erläutert in seinem Statement die Auswüchse und die Folgen des Missbrauchs von Werkverträgen durch die Arbeitgeber. Und er macht die Forderungen des DGB zur Regulierung der Werkverträge und für eine "Neue Ordnung der Arbeit deutlich".
Natürlich versuchen wir, mit Tarifverträgen zu verbessern, was wir verbessern können. Aber auch noch so gute Tarifverträge können eine gesetzliche Normierung von Standards nicht ersetzen. Das ist nämlich das Wesen von Gesetzen: Sie gelten für alle. Tarifverträge gelten nur für die jeweilige Branche und auch dort nicht mehr für alle Arbeitgeber. Denn zunehmend flüchten Arbeitgeber aus den Tarifverträgen. Dies heißt: Die Politik muss handeln und Mindeststandards setzen, um den Wildwuchs und das Lohndumping zu unterbinden.
Werkverträge in der Form, wie sie jetzt vermehrt genutzt und missbraucht werden, haben unmittelbare Konsequenzen für den einzelnen Beschäftigten. Er oder sie erhält weniger Lohn als regulär Beschäftigte, weniger Urlaub und weniger sonstige Leistungen. Vom Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sind Beschäftigte in Werkvertragskontingenten meist weit entfernt.
Aber diese Beschäftigungsform hat darüber hinaus Konsequenzen, die vielleicht nicht gleich auf den ersten Blick sichtbar sind. Der Report nennt vier wesentliche Bereiche:
Die Printversion des DGB-Reports "Werkverträge in Bayern - Das neue Lohndumping-Instrument" erhalten Sie bei Ihrer DGB-Region.
1) Auf der betrieblichen Ebene entstehen viele verschiedene „Teilbelegschaften“ nebeneinander: Stammbelegschaften, befristete Stammbelegschaften, Leiharbeiter mit eigenem Tarifvertrag, Stammbeschäftigte des Dienstleisters, die im Rahmen eines Werkvertrages tätig sind und Solo-Selbstständige oder Scheinselbständige, die im Rahmen eines Werkvertrages tätig sind. Das erzeugt in den Betrieben Spannungen, Konflikte und Druck in alle Richtungen. Davon ist niemand unberührt, auch die angeblich sichere Stammbelegschaft nicht. Denn letztlich kann jeder Arbeitsschritt für sich zerlegt, umstrukturiert und ausgegliedert werden.
Beheben lässt sich bei Werkverträgen durch die Mitbestimmung wenig bis nichts. Betriebsräte haben gegenwärtig faktisch keinen Einfluss. Sie werden bei der Beschäftigung von Werkvertragsarbeitnehmern nicht gefragt, meistens wissen sie nicht einmal, wie viele Werkvertragsarbeitnehmer sich im Betrieb tummeln, weil es noch nicht einmal eine Auskunftspflicht gibt.
2) Für die Innovationsentwicklung der Unternehmen und die Gewinnung von Fachkräften sind Werkverträge kontraproduktiv. Die Aufsplitterung komplexer Arbeiten in kleinste Schritte und deren Teilverlagerung auf Werkvertragsbeschäftigte führt zu Verlusten bei den Qualifikationen. Aus Ingenieuren werden Projektmanager, aus Facharbeitern Kontrolleure. Die Fremdvergaben senken kurzfristig Kosten, langfristig behindern sie die Förderung der Fach- und Führungskräfte sowie deren Innovationskraft.
3) Die Sozialversicherungen geraten unter Druck. Niedriglöhne, Werkverträge und atypische Beschäftigungsformen schwächen die Sozialkassen. Gleichzeitig lassen die Unternehmen bewusst den Steuerzahler für die miese Bezahlung in die Bresche springen. Niedriglohn-Beschäftigte erhalten allen Ernstes und nicht selten den unverhohlenen Hinweis: „Dann hol’ dir doch Hartz-IV-Aufstockung“. Von solchen Praktiken berichten uns die Betriebsräte.
4) Die gesellschaftliche Dimension: Die sich ausbreitenden prekären Beschäftigungsverhältnisse führen nicht nur zu geringen Einkommen und weniger sozialer Sicherheit, sondern sie bedeuten auch: Den Beschäftigten werden kollektive und individuelle Rechte sowie Handlungsmöglichkeiten vorenthalten. Im Report wird auf eine Studie der Uni Bamberg verwiesen, wonach bei prekär Beschäftigten ein fehlender Glaube an Gerechtigkeit und Chancengleichheit nachgewiesen werden kann. Wahlverweigerung und politische Frustration sind noch die kleinste Münze, mit der das bezahlt wird. Langfristig nimmt die Demokratie Schaden.
Wir brauchen eine "Neue Ordnung der Arbeit". Dazu gehören Regulierungen, allgemein gültige Standards, eine gesetzliche Untergrenze gegen Lohndumping, also ein Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro pro Stunde, die Ausweitung der Mitwirkungsmöglichkeiten von Betriebsräten und Tariftreuevereinbarungen für öffentliche Aufträge in Bayern.
Für die Re-Regulierung von Werkverträgen bedeutet das konkret: