Vom Einfluss des Geldes auf die Politik

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Dazu eingeladen hatten der Arbeitskreis außerbetriebliche Gewerkschaftsarbeit (AGA) der IG Metall Ostoberfranken sowie der Kreisverband Hochfranken des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Über „sehr guten Zuspruch“ freute sich AGA-Sprecher Randolph Oechslein mit Blick in den vollen Saal. Und tatsächlich waren fast 50 Menschen zusammengekommen, um den Vortrag Wolfgang Veiglhubers zu hören. 

Der Mitarbeiter in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit ging der Frage tief auf den Grund. Parteienspenden finanzkräftiger Unternehmerfamilien streifte er nur am Rande; tatsächlich rollte er das Verhältnis zwischen Politik und Ökonomie auf. Und er fragte nach den Konsequenzen dieses Verhältnisses für die Bereiche Arbeit und Reichtum – und was das alles für die DGB-Gewerkschaften bedeutet. 

Die Erfindung des Kapitalismus

Seine Betrachtung begann am Ursprung unseres heutigen Wirtschaftssystems: Der „welthistorische Wandel“ der Erfindung des Kapitalismus produzierte millionenfach Lohnabhängige. Bis 1914 war die Einführung des Kapitalismus in Deutschland abgeschlossen, und damit auch eine Folgeordnung für die Feudalherrschaft. Nun waren politische und ökonomische Herrschaft getrennt. Erfunden wurde dabei auch der Nationalstaat, inklusive der Grundlage eines Sozialstaats. „Der Zweck der Produktion ist nun nicht mehr die Produktion“, führte Wolfgang Veiglhuber aus, „sondern das Generieren von Kapital – ein maßloser Prozess, der nur funktioniert, wenn es unendliches Wachstum gibt.“ Und dass es das nicht geben kann, erlebe man spätestens heute, wo das Verschlingen von Ressourcen zu Umweltzerstörung und sozialen Härten führt. 

Wolfgang Veiglhuber schilderte das Entstehen einer breiten Arbeiterbewegung, die aus den neuen Klassen erwuchs, und die aus Sicht der Arbeiterschaft drei Erkenntnisse in sich trug: „Wenn man die Arbeitgeber machen lässt, wie sie wollen, kann man nicht von seiner Arbeit leben. Man muss sich zusammenschließen, um etwas zu erreichen. Man schließt den Arbeitsvertrag nicht auf Augenhöhe: Der Arbeitnehmer kann sein Bedürfnis nicht zur Grundlage des Arbeitsvertrages machen, der Arbeitgeber sehr wohl – ein Ausdruck des Machtgefälles zwischen Kapital und Arbeitskraft.“

Die “ewige Frage”

Der Referent zeichnete die Entwicklung der frühen Bürgergesellschaft zur modernen bürgerlichen Gesellschaft nach und der Ausprägung ihrer ökonomischen Interessen. Die Anhäufung von Kapital zu ermöglichen sei dabei zum Grundkonsens politischen und gesellschaftlichen Handelns geworden. Das spiegle sich unter anderem in Gesetzen wider, die Diskriminierung aufgrund ökonomischer Herkunft nicht verbieten, und die Privateigentum schützen. „Wie also Kapital Politik beeinflusst, ist eine ewige, aber auch ewig junge Frage in der gewerkschaftlichen Arbeit“, führte Wolfgang Veiglhuber aus. Und fragte: „Hat es nun Sinn, an den Staat Forderungen zu stellen, in die Ökonomie einzugreifen?“ 

Die Gründung der SPD als Arbeiterpartei sei ein Versuch gewesen, den Staat durch Mehrheiten zu zwingen, die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen. Daraus resultierte die Akzeptanz der demokratischen Republik in der Arbeiterschaft. Zeitgleich passierte in Russland Gegenläufiges: Hier postulierte Lenin, dass der Staat zerschlagen werden müsse, weil er ein Instrument des Kapitals sei und dem Arbeiter nicht nutzen könne. „Es folgte eine schwierige Diskussion; in West- und Nordeuropa setzte sich ein sozialdemokratisches Verständnis durch, in Osteuropa folgte man dem leninistischen Verständnis.“ Die SPD wandte sich 1959 im Godesberger Programm von Marx ab, „es ist staatstreu“.  

Von der Verewigung der Ungleichheit

Zusammenfassend stellte Wolfgang Veiglhuber fest: Zwar mache der Staat alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Mit der Garantie des Privateigentums sorge er aber für die Verewigung der Ungleichheit. Unser Staat sei so gebaut, dass er die Interessen des Kapitals schützt; nicht aber das Interesse einzelner Firmen. Deshalb müsse der Staat auch ein Stück weit die Interessen der Beschäftigten schützen – alleine schon, um ihnen zum Beispiel durch Arbeitsschutzgesetze die Arbeitskraft zu erhalten. „Salopp gesagt ist das in etwa so, als verbiete der Staat es jedem gleichermaßen, unter Brücken zu schlafen. Ob Armer oder Milliardär.“ Diese abstrakte Gleichheit der Menschen vor dem Staat zementiere die bestehenden Verhältnisse.

Freilich gebe es auch Bevorzugung und Privilegien. „Aber heute werden sie als Freiheit des Privateigentums verhandelt.“ Und freilich würden Politiker bestochen, „aber es ist nicht legal und wird bestraft, wenn man erwischt wird. Also: Eine Lobbyarbeit der Kapitalseite findet statt. Aber der Kanzler macht seine Politik nicht so, weil er bestochen wird – sondern weil er davon überzeugt ist. Und seine Position stimmt mit unserer Gesetzgebung überein.“ 

Dass es im Wahlkampf um Migration und fast fanatisch ums Bürgergeld gegangen sei, sei auffallend gewesen. Die Grundaussage sei immer gewesen, die Deutschen arbeiteten zu wenig und das Bürgergeld sei zu hoch. Doch statt an den Kern des Problems zu gehen, hätten Konservative den schlecht bezahlten Beschäftigten Argumente geliefert, nach unten zu treten. „Und weil die Zahlen zum Einsparpotenzial beim Bürgergeld nicht stimmten, schwenkte die Diskussion in eine moralische: Wer nicht arbeitet, verdient keine Unterstützung“, fasste Wolfgang Veiglhuber zusammen. 

Was ist eigentlich obszön?

Zeitgleich beklagten die Kolleginnen und Kollegen aus der Finanzverwaltung seit Jahrzehnten fehlende Ermittler, um Steuerhinterziehung aufdecken zu können. Der Referent sah darin einen Ausdruck politischen Willens. „Schlussendlich ist es eine Verteilungsgeschichte“, bilanzierte er. „Warum soll der gesellschaftliche Reichtum eigentlich nicht darauf verwendet werden, dass es Leuten gut geht? Und warum ist diese Frage heute obszön? Das sind widerliche Erscheinungen, die viel mit Meinungsmache und Meinungsmacht zu tun haben.“ 

Und die derzeit herrschende Meinung sei: „Wir müssen Kapitalismus pampern, um Kapitalverwertung und -mehrung möglich zu machen. Also regiert das Kapital.“ Eine Änderung sei in näherer Zukunft unwahrscheinlich, weshalb sich Gewerkschaften auf zwei Dinge konzentrieren sollten: Tarifarbeit, um den Preis für Arbeitskraft im bestehenden System möglichst hoch zu halten und Ausbeutung zu verhindern. Und Bildungsarbeit, um Bewusstsein zu schaffen, warum das Kapital regiert. 

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