Der DGB Oberfranken hat im Vorfeld der Kommunalwahl eine Studie zum Thema Kommunalfinanzen mit dem Titel „Zwischen Sparzwang und gleichwertigen Lebensverhältnissen: Bayerns ländliche Kommunen in der Krise“ veröffentlicht.
Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern, dazu: „Für den DGB Bayern ist klar: Kommunen brauchen eine verlässliche und ausreichende Finanzausstattung. Nur so können sie handlungsfähig bleiben und in Zukunft investieren – in Bildung, Mobilität, Gesundheit, Pflege und eine moderne Infrastruktur. Eine starke öffentliche Hand vor Ort ist die Voraussetzung für gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern. Sie stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und wirkt Politikverdrossenheit wie auch extremistischen Tendenzen entgegen.“
„Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf einem Forschungsprojekt zur Ausgestaltung von Schuldenhilfen für finanzschwache, kleine Kommunen in Deutschland. Darin untersuchen wir die Auswirkungen konditionaler Schuldenhilfen in den Bundesländer Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland. In der vorliegenden Studie greifen wir vertieft die Stabilisierungshilfen im Freistaat Bayern auf.“, so Dr. Simon Dudek und Dr. Andreas Kallert, die Autoren der Studie.
Kommunen haben auf deutlich weniger als die Hälfte ihrer Einnahmen direkten Einfluss, in dem Sinne, dass sie die Steuersätze und die Höhe von Gebühren in einem gewissen Rahmen autonom bestimmen können. Vordergründig ist die Kommunalpolitik also auf Einnahmen angewiesen, die sie nicht oder nur sehr indirekt beeinflussen kann. Steigende kommunale Ausgaben können somit dazu führen, dass Kommunen ihren Haushalt nicht ausgleichen können und mehr Schulden aufnehmen müssen. Finanzielle Engpässe stellen also ein großes Problem für Kommunen dar, das jedoch räumlich sehr ungleich verteilt ist.
„Gründe dafür sind z.B. die Größe der Kommune, Ansiedlung – oder Abzug – von Gewerbe, Verkehrsanbindung, aber auch politische Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene.
In Bayern ist die historische Entwicklung des Freistaats für die regionalen Unterschiede von großer Bedeutung.“, so die Autoren weiter.
Dudek und Kallert gehen in ihren Ausführungen des Weiteren auf den Zusammenhang von kommunaler Finanzausstattung und dem Erstarken der Rechten ein, beleuchten die Verteilung von Stabilisierungshilfen (und deren Intransparenz) und zeigen Probleme gerade ländlicher Kommunen auf: „Die Finanzlage vieler ländlicher Kommunen ist prekär – und das nicht nur wegen geringerer Einnahmen, sondern auch aufgrund strukturell bedingter Mehrausgaben. Zwar hat der Freistaat mit den Stabilisierungshilfen ein Instrument geschaffen, um besonders belastete Kommunen zu unterstützen. Doch gleichzeitig sind diese Hilfen an eine strikte Sparpolitik geknüpft. Die strukturelle Finanzschwäche dieser Kommunen wirkt sich unmittelbar auf ihre Fähigkeit aus, Haushaltsdefizite abzubauen und nachhaltige Konsolidierungsstrategien umzusetzen.“
Zum Ende der Studie formulieren Dudek und Kallert 8 konkrete Handlungsempfehlungen:
• Es braucht mehr Landesmittel im Kommunalen Finanzausgleich, um die finanzielle Grundausstattung der Kommunen zu verbessern. Dazu sollte der Freistaat den Kommunen einen höheren Anteil aus der gemeinsamen Steuerverbundsmasse gewähren.
• Die besonders finanz- und strukturschwachen Kommunen brauchen weiterhin zusätzliche Finanzhilfen zur Reduzierung ihrer Schuldenlast. Die Stabilisierungshilfen sind hierbei grundsätzlich ein geeignetes Instrumentarium, müssen jedoch hinsichtlich der harten Konditionalität überarbeitet werden, sodass sie nicht zulasten der kommunalen Entwicklung gehen.
• Die Anfälligkeit für konjunkturelle Schwankungen bei der Gewerbesteuer stellt für viele Kommunen ein großes Problem dar. Die Gewerbesteuer sollte daher zu einer Gemeindewirtschaftssteuer weiterentwickelt werden, die auch Selbstständige miteinbezieht, die ebenfalls kommunale Dienstleistungen und Infrastrukturen in Anspruch nehmen.
• Die Bayerische Landesregierung muss ihre Blockadehaltung gegenüber Steuererhöhungen aufgeben. Die Erhebung der grundgesetzlich verankerten Vermögensteuer ist ein effektives Instrument, um Haushalte mit sehr hohen Vermögen stärker zu besteuern und damit die Einnahmen der Landeshaushalte zu verbessern.
• Während die (Wieder-)Ansiedlung von Industrie und Gewerbe in diesem Räumen vielfach wenig realistisch ist, sind Investitionen in Solar- und Windkraftenergie für die Transformation dringend notwendig. Die Kommunen müssen hierbei befähigt werden, selbst etwa in Form von Genossenschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts (AöR) (interkommunal) unternehmerisch aktiv zu werden, um von der Installation von Solar- und Windkraftanlagen maximal zu profitieren.
• Die Förderpolitik auf allen Ebenen (EU, Bund, Länder) muss stark überarbeitet werden. Statt der Politik der tausend (Förder-)Töpfe braucht es mehr finanzielle Grundausstattung und damit größeren Handlungsspielraum für die Kommunen.
• Kommunen müssen in der Lage sein, über die sogenannten freiwilligen Aufgaben die Lebensverhältnisse vor Ort attraktiv und selbstständig gestalten zu können. Im Moment stehen diese Ausgaben bei knappen Kassen ob ihrer vermeintlichen Freiwilligkeit unter besonderem Konsolidierungsdruck und werden als erstes gekürzt bzw. gestrichen.
• Mit einer auskömmlicheren kommunalen Finanzausstattung werden die Kommunen verstärkt befähigt, in die technischen und sozialen Infrastrukturen vor Ort zu investieren. In der Perspektive der Fundamentalökonomie stellen diese Einrichtungen wie etwa Kitas, Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Mobilität, Wohnraum, Nahversorgung oder Breitband die „Ökonomie des Alltags“ zur Verfügung.
Das Forschungsprojekt „Die Ausgestaltung von Schuldenhilfen für finanzschwache, kleine Kommunen in Deutschland“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, Projektnummer: 507273414) gefördert und läuft von 2022 bis 2026. Angesiedelt ist das Projekt an der AG Wirtschaftsgeographie der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Neben Dr. Simon Dudek und Dr. Andreas Kallert sind am Projekt die studentischen Hilfskräfte Hannah Busch und Laura Scheler beteiligt.
Weitere Infos zum Projekt unter: https://www.ku.de/konsolidierungsatlas.