Unbezahlte Überstunden, ausbildungsfremde Tätigkeiten und unklare Übernahmeperspektiven nach der Ausbildung sind nach wie vor Alltag in vielen bayerischen Ausbildungsbetrieben. Zu diesen und weiteren besorgniserregenden Ergebnissen kommt der bayerische Ausbildungsreport der DGB-Jugend, der in diesem Jahr zum elften Mal veröffentlicht wurde.
Durch die vielfältigen Transformationsprozesse der Arbeitswelt, insbesondere deren fortschreitende Digitalisierung, verändern sich die Anforderungen an die methodisch-didaktische Gestaltung der Ausbildung sowie an die Kompetenzen und das Rollenverständnis von Ausbilder*innen. Vor diesem Hintergrund lag der Schwerpunkt der Befragung in diesem Jahr auf der fachlichen Anleitung durch Ausbilder*innen und der methodischen Gestaltung der Ausbildung.
Der Report zeigt, dass hier Nachholbedarf besteht. So berichten rund 13 Prozent der Auszubildenden, dass ihre Ausbilder*innen selten oder nie am Ausbildungsplatz präsent sind. Knapp zwei Drittel der Befragten geben an, seltener als einmal im Monat (43 Prozent) oder sogar nie (17 Prozent) persönliches Feedback zu ihrer Ausbildung zu erhalten. Und ein Viertel der Befragten fühlt sich in ihrer Ausbildung nur selten oder nie durch ihre Ausbilder*innen motiviert.
Für Anna Gmeiner, Bezirksjugendsekretärin der DGB-Jugend Bayern, ergibt sich daraus ein klarer Handlungsauftrag: „Wir wissen nicht erst durch unseren Report, dass die Qualität der Ausbildung und der erfolgreiche Abschluss der Auszubildenden maßgeblich auch von der Betreuung abhängen. Ausbilderinnen und Ausbilder müssen daher mehr Zeit für die Betreuung ihrer Auszubildenden erhalten. Zudem sollte der Betreuungsschlüssel grundsätzlich bei maximal eins zu acht liegen, um eine enge Begleitung zu ermöglichen.“ Neben einer finanziellen Anerkennung müssten Ausbilder*innen zudem durch regelmäßige Weiterbildungen besser auf die sich wandelnden Anforderungen vorbereitet werden. „Die Weiterbildungsmaßnahmen müssen dabei im Rahmen der regulären Arbeitszeit erfolgen und die Kosten müssen vollständig vom Arbeitgeber übernommen werden. Damit regelmäßige Fortbildungen für Ausbilder*innen endlich verbindlich vorgeschrieben sind, ist eine Novellierung der Ausbildereignungsverordnung (AEVO) dringend geboten“, fordert Gmeiner.
Neben dem jeweiligen Schwerpunktthema wird im Rahmen des Ausbildungsreports jährlich auch die allgemeine Ausbildungszufriedenheit abgefragt: „Mit knapp 71 Prozent hat die Zufriedenheit der Auszubildenden in diesem Jahr leider einen historischen Tiefstand erreicht“, stellt Gmeiner fest. Besonders unzufrieden sind diejenigen, deren Ausbildungsberuf nicht ihrem ursprünglichen Berufswunsch entspricht. Gleichzeitig gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Branchen: Während technische Ausbildungsberufe wie Mechatroniker*in oder Informatiker*in positiv bewertet werden, schneiden Berufe in der Gastronomie oder im Einzelhandel deutlich schlechter ab.
Dabei nimmt die Begeisterung vieler Auszubildender im Laufe der Ausbildung offenbar ab. Während im ersten Ausbildungsjahr noch zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten angaben, die Ausbildung in ihrem Betrieb weiterempfehlen zu können, sinkt dieser Anteil im zweiten und dritten Ausbildungsjahr auf deutlich unter die Hälfte (43 Prozent). „Auch wenn eine ‚Desillusionierung‘ durch den Arbeitsalltag bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar ist, sollte es den Ausbildungsbetrieben durchaus zu denken geben, dass zum Ende der Ausbildung nicht einmal mehr jede*r zweite Auszubildende die Ausbildung im eigenen Betrieb weiterempfehlen würde“, betont Gmeiner.
Mit Blick auf die Passungsprobleme auf dem bayerischen Ausbildungsmarkt – zuletzt konnten knapp 1.500 junge Menschen trotz Interesse keine Ausbildungsstelle finden, während gleichzeitig mehr als 17.000 Stellen unbesetzt blieben – sieht Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern, die berufliche Bildung in einer strukturellen Krise. „Junge Menschen stehen vor massiven Hindernissen – sei es durch unzureichende Ausbildungsvergütungen, die kaum zum Leben reichen, oder durch weite Pendelstrecken, die vor allem in einem Flächenland wie Bayern nur äußerst schwer zu bewältigen sind. Wenn wir weiterhin nur über ein Überangebot an Ausbildungsplätzen sprechen, aber die strukturellen Probleme ignorieren, wird sich die Lage weiter verschärfen. Wir brauchen endlich faire Bedingungen und echte Perspektiven, um die Ausbildung für junge Menschen attraktiv zu gestalten. Hier sind vor allem die Betriebe gefordert, massiv in die Qualität ihrer Ausbildung zu investieren. Denn nur so wird es gelingen, junge Menschen für einen Beruf zu begeistern und sie auch langfristig zu halten“, so Stiedl abschließend.
Hintergrund:
Der jährliche Ausbildungsreport für Bayern liefert Zahlen und Fakten für eine Debatte zur Ausbildungsqualität und weist darüber hinaus auf erhebliche Missstände in der Ausbildung hin. Für diese repräsentative Studie wurden im Zeitraum von September 2023 bis Juni 2024 1.632 Auszubildende befragt.
Den Ausbildungsreport Bayern 2024 können Sie hier herunterladen.
Ein kurzes Factsheet mit den wichtigsten Aussagen können Sie hier herunterladen.