Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wachsen seit Jahren kontinuierlich an. Allein in den letzten 10 Jahren sind die Aufwendungen für die Gesundheitsleistungen um mehr als 50 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Die Preissteigerung lag in diesem Zeitraum bei etwa 25 Prozent.
„Die Kosten im Gesundheitssystem steigen. Zum Teil ist dieses Problem hausgemacht. Anstatt immer wieder die Beiträge der Versicherten zu erhöhen, müssen sich die verantwortlichen Ministerien in Bund und Land fragen, wie das Gesundheitssystem effizienter gestaltet und gerechter finanziert werden kann“, sagt Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern.
Auch Frank Firsching, Verwaltungsratsvorsitzender für die Versichertenseite der AOK Bayern und DGB-Regionsgeschäftsführer in Unterfranken sieht die Politik in der Pflicht, ständig steigende Beiträge zu vermeiden: „Erstens muss Schluss damit sein, den Beitragszahlenden der GKV die Kosten für sozialpolitische Leistungen des Staates aufzubürden. Staatliche Aufgaben, wie zum Beispiel die Finanzierung der Krankenversicherung für Bürgergeldempfänger*innen, sind mit Steuermitteln zu bewältigen. Und zweitens brauchen wir Strukturveränderungen im Gesundheitswesen, die von den Patientenbedürfnissen geleitet sind. So lassen sich immense Kosten sparen und gleichzeitig wird die Gesundheitsversorgung verbessert.“
Zwar wird der Zusatzbeitrag seit 2019 auch zur Hälfte von den Arbeitgebern getragen, dennoch trifft eine Erhöhung insbesondere Beschäftigte in unteren und mittleren Einkommensgruppen überproportional. Das ist sozial ungerecht und verschärft die finanzielle Belastung der Beschäftigten in ohnehin schwierigen Zeiten.
„Eine weitere Belastung der Versicherten ohne substanzielle Reformen ist nicht tragbar. Wenn schon eine Erhöhung notwendig wird, fordern wir den Schätzerkreis auf, sich für die Erhöhung des Regelbeitrags auszusprechen“, fordert Stiedl. „Eine Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes wäre im Gegensatz zur Erhöhung des Zusatzbeitrags nur konsequent, um die Verantwortung der Erhöhung durch die Politik kenntlich zu machen. Außerdem wäre so auch in Zukunft eine paritätische Finanzierung der gesamten Krankenkassenbeiträge gesichert. Wir sehen die Gefahr, dass sich die Arbeitgeber, wie schon vor 2019, aus der Finanzierung eines immer weiter steigenden Zusatzbeitrags ausklinken könnten.“
Hinzu kommt ein mögliches Ungleichgewicht zwischen gezahlten Beiträgen und erhaltener Leistung, wenn viele Menschen monatelang auf einen Facharzttermin warten, keinen Haus- oder Kinderarzt finden oder in überfüllten Notaufnahmen sitzen. „Solche Erlebnisse können zu einem echten Akzeptanzproblem in unser Gesundheitssystem führen. So verspielen die Verantwortlichen in Berlin und München das Vertrauen der Versicherten in die Politik, die Probleme nicht löst. Davon betroffen ist insbesondere die dringend nötige Krankenhausreform. Nur zuzuschauen, wie Krankenhäuser unkoordiniert schließen, darf keine Option sein“, erläutert Firsching weiter.
Als Lösung für eine gerechtere und solidarische Krankenversicherung sehen die Gewerkschaften langfristig eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und bei der auch hohe Miet-, Pacht- und Zinseinnahmen über einen gewissen Freibetrag hinaus berücksichtigt werden. „Nur so kann eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung für alle gesichert werden. Dabei müssen wir auch die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in den Blick nehmen. Das sind mögliche Hebel, um den GKV-Beitragssatz wieder zu senken“, so Stiedl abschließend.
Hintergrund
Am 14./15. Oktober tagt der sogenannte Schätzerkreis, der die Versichertenentwicklung, die Ausgaben und die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für das laufende und das kommende Jahr prognostizieren wird. Ihm gehören Fachleute des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesamtes für Soziale Sicherung sowie des GKV-Spitzenverbandes an. Aktuelle Prognosen aus Kreisen des GKV-Spitzenverbands gehen davon aus, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag für 2025 um 0,9 Prozentpunkte steigen kann.