„Erinnern heißt kämpfen“ – DGB-Jugend Bayern gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus

Seidel-Arpacı: „Eine systematische Verharmlosung und Umdeutung der Shoah wird zunehmend normalisiert.“

Datum

Ordnungsnummer PM 72

Die DGB-Jugend Bayern erinnerte am heutigen Sonntag in der KZ-Gedenkstätte Dachau zum 73. Mal an die Opfer des Nationalsozialismus.

Die Gedenkrede hielt in diesem Jahr Annette Seidel-Arpacı, Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Bayern, die seit 2019 antisemitische Vorfälle und Tendenzen systematisch erfasst und dokumentiert.

In ihrer Rede warnte Seidel-Arpacı eindringlich davor, dass die Erinnerungskultur in Deutschland zunehmend unter Druck gerät: „Die mühsam erkämpfte, wie auch widersprüchliche und vor allem auf Druck von ehemals Verfolgten und Befreiern entstandene Erinnerungskultur erlebt heute Angriffe von verschiedenen Seiten: nicht nur aus extrem rechten, sondern auch aus sich progressiv dünkenden Kreisen.“

Wie aktuell diese Gefährdung ist, zeigte Seidel-Arpacı an jüngsten Beispielen aus Bayern: „Mitten in Dachau musste man im Sommer dieses Jahres für einige Zeit an dem Schriftzug 'Gaza Holocaust' vorbeigehen. Auch auf dem Weg zur Gedenkstätte ist man immer wieder mit ähnlich verharmlosen-den und die Geschichte und Gegenwart umdeutenden Parolen konfrontiert, die zum Teil monate-lang lang geduldet bleiben. Auch aus Gedenkorten selbst erreichen uns vermehrt Meldungen von Graffiti und Störungen.“

Diese Beobachtungen fügen sich laut Seidel-Arpacı, in ein besorgniserregendes Gesamtbild ein. So habe RIAS Bayern für das Jahr 2024 mit 1.515 antisemitischen Vorfällen nahezu eine Verdoppelung der Vorfallszahlen des Vorjahres dokumentiert.

Anna Gmeiner, Bezirksjugendsekretärin der DGB-Jugend Bayern, erinnerte in ihrer Eröffnungsrede an die lange Tradition des gewerkschaftlichen Gedenkens – und daran, dass jede Generation diese Verantwortung neu übernehmen muss: „Seit 73 Jahren führt die DGB-Jugend Bayern diese Gedenkveranstaltung durch. Und zwar nicht, weil es von uns verlangt wird, sondern weil es uns ein besonders wichtiges Anliegen ist. Aus der Verantwortung heraus, die wir als junge Generation verspüren. Aus Verantwortung gegenüber all jenen, die hier inhaftiert und unter menschenunwürdigen Bedingungen gefoltert, gequält und getötet wurden. Gegenüber all jenen, die ihre Stimme nicht mehr erheben können.“

Gmeiner zufolge sei Erinnern für die Gewerkschaftsjugend immer auch ein Auftrag zum Handeln, der gleichzeitig Haltung verlangt: „Unser Erinnern ist nicht neutral. Es ergreift Partei für diejenigen, die bedroht werden – und stellt sich gegen diejenigen, die ausgrenzen wollen. Denn Geschichte wiederholt sich nicht automatisch, aber sie kann zurückkehren, wenn wir schweigen“, so Gmeiner ab-schließend.

Hintergrund

Mit der Gedenkfeier anlässlich der Novemberpogrome 1938 erinnert die DGB-Jugend Bayern seit 1952 jährlich im ehemaligen Konzentrationslager Dachau an die Opfer des Nationalsozialismus. Das Motto „Erinnern heißt kämpfen“ zeigt auf, dass Erinnerungsarbeit untrennbar mit der moralischen und politischen Verpflichtung für aktives demokratisches Eingreifen in die heutigen Verhältnisse verbunden ist.

Neben den Redebeiträgen stellen seit 2012 Ehrenamtliche der Gewerkschaftsjugend auf dem Weg vom ehemaligen Appellplatz zum ehemaligen Krematorium selbst recherchierte Biografien von Opfern des Nationalsozialismus vor.

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