„Gesunde Arbeit braucht starke Strukturen“ – DGB Schwandorf diskutierte über psychische Belastungen in der Arbeitswelt

Tobias Gruber, Vorsitzender ver.di OV Schwandorf, Richard Ertl, Referent; Katja Ertl, DGB-Organisationssekretärin, Wolfgang Kurzendorfer, Vorsitzender DGB KV Schwandorf

Datum

Dachzeile KV Schwandorf

Schwandorf, 9. Oktober 2025

Die moderne Arbeitswelt steht unter Druck – und mit ihr die Gesundheit der Beschäftigten. Digitalisierung, Leistungsverdichtung, Fachkräftemangel und ständige Erreichbarkeit sorgen für neue Belastungen, die längst nicht mehr nur körperlicher Natur sind. Über Ursachen, Folgen und Lösungsansätze sprach der DGB-Kreisverband Schwandorf gemeinsam mit dem ver.di-Ortsverein Schwandorf am Dienstagabend im Turmrestaurant Obermeier in Klardorf. Die Veranstaltung stand unter dem Titel „Risikofaktor Arbeit – Belastungen erkennen und wirksam begegnen“.

Bereits in ihrer Begrüßung machte Katja Ertl, DGB-Regionssekretärin in der Oberpfalz deutlich, warum das Thema aktueller denn je ist: „Psychische Erkrankungen sind heute eine der Hauptursachen für Arbeitsunfähigkeit. Laut DAK-Psychreport 2025 entfallen im Schnitt 323 Fehltage je 100 Versicherte auf psychische Erkrankungen – bei Frauen sogar deutlich mehr. Die Zahl stieg in den letzten Jahren um 52 %.  Diese Entwicklung zeigt: Gesundheitsschutz muss umfassender gedacht werden.“

Richard Ertl (M.A. Gesundheitsmanagement & Prävention) führte in seinem Vortrag vor rund 40 Teilnehmenden aus, dass Gesundheit nicht allein durch medizinische Maßnahmen zu sichern ist. „Das klassische biomedizinische Modell greift bei psychischen Belastungen zu kurz“, erklärte Ertl. „Es braucht das biopsychosoziale Verständnis, das biologische, psychische und soziale Faktoren zusammendenkt. Nur so können wir die wahren Ursachen von Stress und Überforderung erkennen.“

Er betonte, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend verschwimmen: „Homeoffice, digitale Tools und permanente Erreichbarkeit führen oft zu Entgrenzung – Beschäftigte haben kaum mehr echte Erholungszeiten.“ Betriebe müssten daher lernen, Gesundheit als strategische Ressource zu managen. „Betriebliches Gesundheitsmanagement ist keine Wellnessmaßnahme, sondern Führungsaufgabe. Es muss systematisch geplant, umgesetzt und evaluiert werden – genau wie Qualität oder Finanzen“, so Ertl.

In der anschließenden Diskussion wurden viele Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis geteilt – von Überlastung durch Personalmangel bis hin zu Konflikten durch schlechte Kommunikation. Klar wurde: Gesundheitsschutz ist mehr als Erste Hilfe und ergonomische Stühle. Er beginnt bei Arbeitsorganisation, Beteiligung und Führungskultur.

Wolfgang Kurzendorfer, Vorsitzender des DGB-Kreisverbands Schwandorf, zog ein klares Fazit: „Gesunde Arbeit entsteht nur dort, wo Beschäftigte mitbestimmen können. Die gesetzlich vorgeschriebene psychische Gefährdungsbeurteilung (§ 5 Arbeitsschutzgesetz) ist dafür das zentrale Instrument. Sie darf nicht als bürokratische Pflicht verstanden werden, sondern als Chance, Arbeitsbedingungen gemeinsam zu verbessern.“

Kurzendorfer erinnerte auch an die Verantwortung der Arbeitgeber: „Wenn Arbeit krank macht, ist das kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem. Prävention ist Führungsverantwortung – und ein Gebot sozialer Gerechtigkeit.“

Die Veranstaltung stieß auf großes Interesse – zahlreiche Betriebs- und Personalräte, Gewerkschaftsmitglieder und Interessierte nutzten die Gelegenheit, über eigene Erfahrungen und betriebliche Lösungsansätze zu sprechen. Der DGB Schwandorf kündigte an, das Thema „Gesundheit in der Arbeitswelt“ weiter zu vertiefen und mit Schulungen, Beratungsangeboten und Netzwerktreffen fortzuführen.

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