Günzburg: Brechend voll war der Biergarten im Gasthof „Rose“, als die DGB-Ortsvorsitzende Helga Springer-Gloning den diesjährigen Günzburger DGB-Biergartentreff eröffnete. Springer-Gloning nutzte ihre Begrüßung, um die Einführung einer solidarischen Pflegevollversicherung, in die alle einzahlen müssen, zu fordern. Die oft, auch im Zusammenhang mit dem Neubau des Wahl-Linderschen Seniorenzentrums in Günzburg, zu hörende Behauptung, „gute Pflege sei nicht mehr finanzierbar“, sei falsch. In einem Land, in dem es immer mehr Reichtum gibt, kann gute Pflege selbstverständlich nach wie vor bezahlt werden, wenn es gerecht zugeht, so ihre Feststellung.
Mehr Respekt für die Leistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, forderte dann der Vorsitzende des DGB Bayern, Bernhard Stiedl, in seiner - immer wieder vom Beifall unterbrochenen - Biergartenrede. Deren Arbeit sei die Voraussetzung für eine positive Wirtschaftsentwicklung und auch für die Gewinne der Arbeitgeber. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätten, gerade in den schwierigen letzten Jahren „den Karren am Laufen gehalten“, während Unternehmungsleitungen oft versagt hätten.
Stiedls Schlussfolgerung: „Wir sollten in diesem Land mal mehr über die Leistungsfähigkeit der Vorstände und Geschäftsführungen reden!“
Für den Vorsitzenden des DGB Bayern sind eine florierende Wirtschaft und soziale Sicherheit keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille. Das eine ohne das andere funktioniere nicht. Der DGB begrüße, dass im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vorgesehen sei, öffentliche Aufträge nur noch an Firmen zu vergeben, die nach Tarif bezahlen. Es müsse endlich Schluss sein damit, dass mit Steuergeldern Dumpinglöhne unterstützt werden. Dieses Prinzip müsse endlich auch für Aufträge und Subventionen des Freistaates Bayern und seiner Kommunen gesetzlich festgelegt werden. Eine vehemente Absage erteilte Bernhard Stiedl allen Versuchen, den 8-Stunden-Arbeitstag abzuschaffen. Das Vorhaben die tägliche Arbeitszeit zu verlängern, sei ein Anschlag auf die Gesundheit der arbeitenden Menschen. Deshalb werden die Gewerkschaften alles ihnen Mögliche tun, um den 8-Stunden-Tag zu schützen.
Stiedl rief dazu auf, trotz der großen Probleme nicht zu resignieren und als Gewerkschaften mit Selbstbewusstsein in die bevorstehenden Auseinandersetzungen zu gehen. Die Gewerkschaften des DGB Bayern hätten zusammen rund 800.000 Mitglieder. Darunter seien 100.000 Jugendliche. Damit sind wir, so Stiedl, die mit Abstand größte politische Organisation und auch die größte politische Jugendorganisation. Wenn wir es schaffen unsere Kräfte solidarisch zu bündeln, werden wir auch Erfolg haben, stellte Stiedl zum Abschluss seiner Rede fest.
Der DGB-Kreisvorsitzende Werner Gloning, der die Veranstaltung moderierte, zitierte den Satz: „Zu guten Arbeitsbedingungen gehören insbesondere tarifliche Bezahlung und betriebliche Mitbestimmung.“ Das sei nicht die Aussage eines „wild gewordenen Gewerkschaftsfunktionärs“, sondern ein Satz aus dem vom Günzburg Kreistag einstimmig beschlossenen Landkreisleitbild: Leider spiele der Satz in der Praxis der Wirtschaftsförderpolitik des Landkreises „nicht die geringste Rolle“. Der DGB werde dafür sorgen, dass das und dass das Thema „Qualität der Arbeit im Landkreis“ im bevorstehenden Kommunalwahlkampf „auf den Tisch kommt“. Gloning: Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass der Landkreis zwar relativ gute Arbeitsmarktzahlen hat, aber gleichzeitig auch ein Hotspot für prekäre Arbeit ist.
Dass die Veranstaltung tatsächlich, wie in der Einladung versprochen, eine unterhaltsame Mischung aus Information, Kleinkunst und Spaß wurde, war dann der Verdienst des Liedermachers Sepp Raith mit seinen z.T. bissigen, z.T. nachdenklichen, z.T. humorvollen, aber immer hinter die Fassade schauenden Liedern. Und ein Verdienst der Poetry Slamerin Jana Laupheimer und Thomas Wolf, mit ihren tief beeindruckenden und betroffen machenden Texten.