Am 29. März 1946 wurden die Münchner Gewerkschaften und der München DGB per Urwahl (wieder)gegründet. Am 29. März 1946 fand in allen Münchner Betrieben und in den Büros der Gewerkschaften im Städtischen Hochhaus in der Blumenstraße eine Urwahl statt. Dabei wurde über die Satzungen der Gewerkschaften, die Vorstände der Gewerkschaften und den Beschluss, sich in einem Gewerkschaftsbund zusammenzuschließen abgestimmt.
Die Anzahl stimmberechtigter Mitglieder war bis Ende März 1946 auf über 48.000 Personen (erst seit Januar 1946 durften die Gewerkschaften offiziell Mitglieder werben) angewachsen. Die Wahlbeteiligung lag bei über 73 Prozent. 98 Prozent stimmten für die neuen Satzungen und die neuen Vorstände der Gewerkschaften und 95 Prozent für den Zusammenschluss zum DGB. Damit sind wir ab heute 75 Jahre alt und eigentlich schon viel älter. Das erste Münchner Gewerkschaftskartell wurde 1893 gegründet.

DGB München/© Ingrid Theis
Für den Gesundheitsschutz für Beschäftigte die nicht im Home Office arbeiten können. Für die Sicherheit von Arbeitsplätzen, für ein Mindestkurzarbeitergeld und für Gute Arbeit auch in der Krise. Am Anfang der Pandemie wurde viel geklatscht für die Beschäftigten, die diese Gesellschaft am Laufen halten. Aber es wurden dabei viele vergessen und bei den anderen blieb es oftmals beim Applaus. Wir fordern konkrete Taten, denn Applaus zahlt keine Miete. Es muss sich grundsätzlich etwas ändern. Wir brauchen mehr Sozialstaat für alle. Wir brauchen Investionen in die Zukunft. Die Kosten der Krise müssen solidarisch finanziert werden, und deshalb müssen die Reichen zur Kasse gebeten werden. Wir brauchen mehr Rechte für Gewerkschaften und Betriebsräte, nicht nur in der Pandemie. Wir befinden uns mitten in einem Strukturwandel, hier müssen die Kolleg*innen ihre Zukunft mitbestimmen können. Auch mit 75 Jahren gibt es für uns noch viel zu tun. Wir freuen uns auf die nächsten 75 Jahre.
Fakten rund um die Gründungsgeschichte des DGB München.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Es gab anfangs so gut wie keine Funktionärinnen in den Gewerkschaften. Gegründet wurde der DGB München nur von Männern. Warum? Auch bei den Gewerkschaften gab es diskriminierende Rollenvorstellungen. Außerdem mussten viele Frauen alleine für die Familie sorgen und Geld verdienen, die Männer waren tot oder in Kriegsgefangenschaft. Da war kein weiteres gewerkschaftliches Engagement mehr drin. Der neu gegründete Gewerkschaftsbund erkannte deshalb, dass etwas getan werden musste: Ein Frauensekretariat wurde gegründet, in der Gewerkschaftszeitung stand ihnen mit dem „Blatt der Frau“ eine eigene Rubrik zur Verfügung und es wurden eigene Fortbildungen für Frauen angeboten. Die wichtigste frauenpolitische Forderung hat sich seitdem leider nicht geändert: "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“
Ludwig Koch
Viele von euch kennen ihn als Namensgeber des Großen Saals im alten Gewerkschaftshaus. Und die Ehre hatte er zu Recht, denn er war auf vielen Ebenen für die Gewerkschaftsbewegung in München eine prägende Figur. Er war überzeugter Kollege bei der Gewerkschaft der Eisenbahner. Ab 1933 dann beim Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) im Widerstand aktiv. In Schriften und Flugblättern warnte er dabei etwa vor der der Kriegsgefahr und der nationalsozialistischen Siedlungs- und Rassenpolitik. 1938 wurde er verhaftet und bis Kriegsende in Zuchthaus und Konzentrationslager interniert. 1945 gehörte er zum engeren Zirkel derer, die die Wiedergründung des DGB vorantrieben und wurde erster Jugendsekretär des DGB München. Ab 1953 wurde er schließlich für zwanzig Jahre Vorsitzender des DGB München. In all diesen Jahren prägte er die Münchner Gewerkschaftsarbeit maßgeblich.
"Bürger, nicht Untertanen wollen wir sein. Wollen mitraten, mittaten und mitverantworten, in allen wichtigen Dingen des Lebens der Gemeinschaft. Vor allem in den Angelegenheiten der Wirtschaft unseres Volkes."
Mit diesen Worten machte Hans Böckler, der erste Vorsitzende des DGB, in seiner Rede beim Gründungskongress 1949 deutlich, worum es den Gewerkschaften zu Zeiten der Wiedergründung ging: Mitbestimmung nicht nur in den Betrieben, sondern auch in gesamtwirtschaftlichen Fragen, gleichberechtigt zu den Unternehmern. Mitsprache in allen Fragen, die für Arbeitnehmer:innen wichtig sind. Mitsprache über Betriebsvereinbarungen reichen nicht aus, auch bei so wichtigen Fragen wie die Höhe der Mieten sollten die Beschäftigten mitentscheiden.
Wann wurde nach Kriegsende die Arbeit in den Betrieben wieder aufgenommen?
Schon in den ersten Maitagen – also kurz nach der Befreiung vom Nationalsozialismus am 30. April 1945 – wurden in den Münchner Großbetrieben provisorische Betriebsausschüsse gebildet. Deren Aufgaben waren gewaltig: Schutt und Trümmer mussten beseitigt und Produktionsanlagen behelfsmäßig instandgesetzt werden. Außerdem waren Naziaktivisten aus ihren Stellungen zu entfernen. So konnte in vielen Münchner Betrieben noch im Mai die Arbeit wieder aufgenommen und damit die Güterversorgung etwas verbessert werden.
Warum waren alle Gründer des DGB München schon reiferen Alters?
Das hat einen simplen Grund: Zwölf Jahre lang waren Gewerkschaften verboten, in dieser Zeit konnten auch keine neuen Mitglieder geworben werden. Und die Jugendlichen von vor 1933 – wie etwa Ludwig Koch – waren 1945 nicht mehr jung. Der Gründerkreis bestand deshalb aus den schon vor 1933 aktiven Gewerkschaftern - und die waren nunmal 1945 schon etwas älter.
Was passiert, wenn ein KPDler, drei SPDler und ein CSUler zusammenkommen?
Sie gründen den DGB München. Schon wenige Tage nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam eine kleine Gruppe „alter“ Gewerkschafter, die sich noch aus Zeiten vor der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten kannten, zusammen. Sie besprachen erste Schritte des Wiederaufbaus der Gewerkschaftsbewegung. Rasch wuchs der Kreis der Aktivisten an. Das Ziel war es eine Einheitsgewerkschaft über die politischen Grenzen hinweg zu gründen. Deshalb waren im Gründungskreis der Sozialdemokrat Thomas Wimmer, später Oberbürgermeister von München, der Mitbegründer der CSU Heinrich Krehle und Ludwig Ficker, ab 1947 KPD Vorsitzender.
Was hatten Gewerkschaften und Fahrradreifen miteinander zu tun?
Kurz nach der Befreiung war die Arbeit eines Gewerkschaftssekretärs und einer Gewerkschaftssekretärin ein bisschen anders als heute. So berichtet die Gewerkschafterin Elisabeth Dietl aus der Anfangszeit: „In der Anfangszeit des Wiederaufbaus der Gewerkschaften mussten sich die Kollegen […] auch mit anderen, brennenden Problemen herumschlagen: z.B. der Beschaffung von Arbeitsschuhen oder der Zuteilung von Fahrradbereifungen für den Weg zur Arbeit. Sehr wichtig war auch der Mangel an Wohnraum. Diese Bedürfnisse machten unzählige Schreiben und Eingaben an die entsprechenden Ämter und Verteilungsstellen notwendig.“
Was haben die Gewerkschafter*innen direkt nach dem Krieg gemacht - und was hatte die Eisenbahn damit zu tun?
Direkt nach der Befreiung Münchens waren die Gewerkschafter*innen mit die ersten, die aktiv wurden, obwohl oder vielleicht gerade weil viele von ihnen in den KZs inhaftiert waren. An klassische Gewerkschaftsarbeit war aber noch nicht zu denken - es gab weder Betriebsräte noch Tarifverhandlungen. Stattdessen ging es darum, die allgemeine Not zu lindern. So organisierte eine Gruppe um den Eisenbahner Leonhard Horlacher schnell die Instandsetzung der Transportwege, um per Eisenbahn überlebenswichtige Güter wie Lebensmittel oder Kohle in die Stadt zu schaffen. Von den Arbeitgebern war dabei übrigens nichts zu sehen, die Gewerkschafter*innen organisierten sich selbst.
Was hat denn das städtische HOCHHAUS mit dem DGB München zu tun?
Na viel, denn hier hat der DGB München angefangen. Nachdem das alte Gewerkschaftshaus des „Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds" in der Pestalozzistraße im Krieg zerstört wurde und im Gebäude der Christlichen Gewerkschaftsbewegung in der Reisingerstraße das städtische Wohlfahrtsamt untergekommen war und somit auch kein Platz war, hatte die neu gegründete Gewerkschaft keinen Sitz mehr. Erst als die Gewerkschafter im November 1945 einige Räume im Städtischen Hochhaus in der Blumenstraße beziehen durften, konnte ein erster, provisorischer Bürobetrieb aufgenommen werden. Wir wollten eben schon immer hoch hinaus!
Wieviele Schreiner brauchte es, um den DGB München zu gründen?
Dafür gibt es sicher keine Regel, aber auffallend ist es schon, dass bei der (Wieder-) Gründung der Münchner Gewerkschaften 1945 die Hälfte der Initiatoren den Schreiner-Beruf ausübte. Der Grund hierfür lag sicher daran, dass der Gründer, Gustav Schiefer, seit 1894 dem Deutschen Holzarbeiterverband angehörte und dort wohl auch seine Mitstreiter gefunden hat. Auf Rang zwei der Gründerberufe steht übrigens Schlosser. Um unsere Frage also zu beantworten, die maßgeblichen Initiatoren waren: 3 Schreiner, 2 Schlosser und ein Arbeiter. Diese Mischung, angereichert um weitere Beteiligte, hat offensichtlich gut gepasst, denn der DGB München kann jetzt 75 Jahre Bestehen feiern!
Welche Verbindung hat das Haus in der Armanspergstraße 3 zum DGB München?
Dieses Haus in der Armanspergstraße 3 in München-Harlaching hat tatsächlich eine enge Verbindung zum DGB München, denn exakt hier wurden die Weichen für die Wiedergründung eines neuen Gewerkschaftsbundes gestellt. Wieso gerade hier? Hier wohnte ein gewisser Gustav Schiefer, Vorsitzender des Gewerkschaftsbunds (ADGB) bis zum Verbot der Gewerkschaften 1933. Direkt nach der Befreiung Münchens lud er ehemalige Mitstreiter zu sich in die Wohnung zu Treffen ein, um mit ihnen gemeinsam den Wiederaufbau der Gewerkschaft in München zu planen. Leider könnt Ihr diese Geburtsstätte nicht mehr besuchen, denn es wurde abgerissen - aber auf dem Grundstück entstand ein Haus für Kinderbetreuung - irgendwie auch stimmig, finden wir.
Was hat der DGB München mit dem Prinze am Hut?
Jede Menge. War doch das Münchner Prinzregententheater die festliche Kulisse für seine Gründungsfeier am 28. Oktober 1945. Warum denn ausgerechnet im Theater? Die Gewerkschaften hatten kein eigenes Haus. Die Nationalsozialisten besetzen am 9. März 1933 mit Duldung der Polizei das Gewerkschaftshaus in der Pestalozzistraße, dies war auch der Beginn der systematischen Verfolgung der Gewerkschaften. Im Krieg wurde das Haus zerstört. 1945 lag die ganze Stadt größtenteils in Trümmern. Geeignete Räumlichkeiten waren ziemlich rar. Der Zuschauersaal des Prinzregententheaters hatte den Krieg halbwegs unbeschadet überstanden und konnte deshalb für größere Versammlungen genutzt werden. Wir finden: Unser Gründungshaus kann sich sehen lassen.
Spaziergang: Orte der Münchner Gewerkschaften
Das Spazierengehen erfreut sich seit einem guten Jahr ganz neuer Beliebtheit – ist es doch eines der wenigen Dinge, die in Pandemiezeiten ohne zu verreisen und mit Abstand möglich sind und gleichzeitig der Gesundheit guttun. Und es bietet die Möglichkeit, seine Stadt und sein Viertel ganz neu kennenzulernen.
Das wollten wir zum Anlass nehmen, um Euch anlässlich der 75-Jahr-Feier des DGB München zu den Wurzeln der Münchner Gewerkschaftsbewegung zu führen. Wusstet Ihr zum Beispiel, dass die ersten Feiern zum 1. Mai nicht am Marienplatz, sondern nach den Kundgebungen als Familienfeiern in der „Waldgaststätte Holzapfelkreuth“ abgehalten wurden? Oder dass die erste große Veranstaltung des DGB München am 28.10.1945 im Prinzregententheater stattfand und unser Bundesverband vom 12.-14.10.1949 im Deutschen Museum gegründet wurde? Oder dass die Maikundgebungen früher auf der Theresienwiese, später auf dem Königsplatz und erst seit den 1970er-Jahren am Marienplatz stattfinden?
Dies und noch einiges mehr erfahrt Ihr mit diesem Spaziergang über 16 Stationen durch München. Wir wünschen Euch viel Spaß!
Der Spaziergang ist auch als Broschüre erschienen. Sie kann hier heruntergeladen werden oder von uns bezogen werden. Bei Interesse e-mail an benedikt.kopera@dgb.de